Die Methode OP-OD baut auf vier Grundsätzen bekannter und erprobter Planungsmethoden und Projektauswahlverfahren auf:
- Lösungsvielfalt, Offenheit und Ideal der Fairness wie in offenen Architekturwettbewerben.
- Methoden der Nutzer*innenpartizipation.
- Kollektive Open-Source Programmiermethoden, wie man sie aus dem Bereich der agilen Software-Entwicklung kennt.
- Ideal der Kooperation anstelle des Konzepts der Konkurrenz.
Mit OP-OD wird der Versuch unternommen, daraus eine kohärente eigene Mechanik zu entwickeln. Die Methode und die ihr zugrundeliegenden Ideale sind damit also nicht völlig wertneutral oder gar frei verhandelbar, sondern spiegeln auch die spezifischen Haltungen und Ideale der Autor*innen dieser Methode wider. Fast im Sinne einer Art Diskursethik sollen aber in den mit der Methode OP-OD zu erreichenden architektonischen Planungsergebnissen Offenheit und Nicht-Determiniertheit eine wichtige Rolle einnehmen.
Offener Architekt*innenwettbewerb
Offene Wettbewerbsverfahren genießen innerhalb der Architekt*innenschaft weiterhin hohes – wenn auch nicht widerspruchsfreies Ansehen, weil sie im Idealfall einen fairen Wettbewerb der besten Ideen ermöglichen und im Vergleich zu anderen Verfahren die geringsten Zugangsbeschränkungen für alle Teilnehmer*innen darstellen. Sie ermöglichen somit potentiell auch Vorschläge von Akteur*innen, die niemand vorab auf der Rechnung hatte, und können damit in gewisser Weise weit mehr als andere Verfahren auch inhaltlich andere Sichtweisen zu Tage fördern oder aber auch einen sehr direkten Wissenstransfer aus der akademischen Beschäftigung mit Architektur befördern. Wettbewerbe generieren grundsätzlich eine höhere Lösungsvielfalt als Direktaufträge oder VgV-Verfahren und können so der jeweiligen Bauherr*in eine große Bandbreite an potentiellen Antworten für ihr Bauvorhaben aufzeigen. Unter diesen Antworten wiederum kann mit der fachkundigen Bewertung einer gut besetzten Fachjury und dem sachkundigen gemeinsamen Urteil mit einer ausgewogenen Sachjury ein kluger diskursiver Auswahlprozess stattfinden und letztlich die Prämierung eines dann weiter zu bearbeitenden Siegerprojektes erfolgen. Ebenso können dem Projekt im Zuge dieses Auswahlprozesses konkrete Vorgaben zur Überarbeitung und Optimierung mit auf den Weg gegeben werden.
Nutzer*innenpartizipation
Partizipation genießt im wissenschaftlich akademischen Diskurs eine hohe Reputation. An sie ist ungebrochen (auch von Seiten der Autor*innen der Methode OP-OD) die Erwartung geknüpft, nachhaltige und dauerhafte bauliche oder freiraumplanerische Lösungen zu erzielen. Insbesondere in Architektur und Stadtplanung können die von den Nutzer*innen gemeinsam mit Expert*innen co-gestalteten und entwickelten Lösungen zu hoher Akzeptanz, zu direkter Aneignung und zu einer hohen Sorgfalt in der Benutzung führen – so die These. Grundsätzlich ist – wenn das Schlagwort Partizipation fällt – nicht immer das gleiche – also weder die gleiche eine Methode noch das gleiche Ziel – gemeint. Als gemeinsamer Nenner darf lediglich angenommen werden, dass die späteren oder auch nur potenziellen späteren Nutzer*innen oder auch Betroffenen die Planung auf irgendeine Art und Weise und/oder an gewissen Stellen direkt mit beeinflussen können. Und das auch, wenn sie nicht zwingend Auftraggeber*innen oder auch Eigentümer*innen des Gebauten sind. Auch bei manchen Immobilieninvestor*innen hat sich mittlerweile die Ansicht durchgesetzt, dass sie mit Beteiligungsformaten in einer frühen Phase Ihrer Projektentwicklungen mehr Baurecht und weniger Widerstand erreichen können. Inwiefern es hier aber um eine Form an Partizipation geht, die ihrem inhärent guten Ruf gerecht wird, soll hier nicht bewertet werden.
Zugang, Aufwand und Vergütung
Die Frage, wie und ob Teilhabe zumindest prinzipiell so organisiert werden kann, dass nicht erneut nur vorhandene elitäre Prozesse reproduziert werden und nur den ohnehin prägnant auftretenden gesellschaftlichen Akteur*innen eine weitere gut hörbare Stimme verliehen wird, ist dabei nicht trivial. Der Aspekt der zeitlichen, ökonomischen und auch intellektuellen Kapazitäten für eine echte Beteiligung an Planungsprozessen ist bis heute nicht abschließend geklärt oder gar gelöst. Die Methode OP-OD geht aber davon aus, dass die Mitwirkung egal ob von Planer*innen, Nutzer*innen oder anderen Stakeholdern monetär von Anfang an vergütet wird. Dies kann über pauschale Vergütungen pro Idee oder Beitrag und/oder über Tagessätze als Zeithonorar erfolgen. Dabei spielt es im Gegensatz zu Wettbewerben keine Rolle, wie erfolgreich eine einzelne Idee oder ein Beitrag ist oder ob diese gar später im Projekt Verwendung finden.
Open Source und agile Produktentwicklung
Die Methode OP-OD ist in Teilen seiner Mechanik von Methoden der Softwareentwicklung und des Projektmanagements oder spezifisch gesprochen von sogenannten Lean-Development-Werkzeugen inspiriert. Das Zerlegen eines gemeinsamen, und dabei möglichst wenig hierarchischen Projekt- bzw.- Produktentwicklungsprozesses in Teilschritte und Teilaufgaben dient dabei als Vorbild. Das Ziel des Prozesses bzw. seine Ausgangsfragen sind dabei klar benennbar. Der Weg dorthin einerseits gut strukturiert und moderiert aber auch von Selbstorganisation, von niedrigen Hierarchien und einer offenen Kommunikation und von einer guten Fehlerkultur geprägt. Eine der bekanntesten Methoden diesbezüglich ist die urheberrechtlich geschützte Scrum-Methode: „Scrum ist ein Rahmenwerk für die Zusammenarbeit von Teams basierend auf einer Definition von Rollen, Meetings und Werkzeugen, die einem Team Struktur und einen klar definierten Arbeitsprozess basierend auf agilen Prinzipien geben.“ Dem Prinzip Offenheit wird mit der Offenlegung des Quellcodes von Programmen in gewissen Feldern der Software-Entwicklung ein großer Wert für eine kollektive Weiterentwicklung und Optimierung von Produkten beigemessen. Die tiefe und ungeschönte Einsicht in Entwurfs- und Entscheidungsprozesse eines Bauprojektes und auch die Offenlegung der späteren Erfahrungen im Betrieb könnten dabei die Übertragung einer Open Source Haltung in die Architektur darstellen. Hierfür bedarf es einer adäquaten, vermutlich digitalen Projektplattform.
Kooperation statt Wettbewerb
Autor*innenschaft wird oft mit der Idee von Kontrolle und kompletter Übereinstimmung von Werk und Person und auch persönlichen Überzeugungen und Ansichten verstanden. Bei einem kollektiven Prozess ist das in vielen Fällen aber nicht möglich. Es geht zwangsläufig um Kompromisse, um Entscheidungsfindungen mit vielen gleichberechtigten Individuen, die automatisch oder zumindest oft nur eine partielle Übereinstimmung von Werk und Person zulassen. Wozu befähigt die Architekt*innen aber derzeit ihre Autor*innenschaft bzw. was bildet diese eigentlich ab? Weist sie nicht heute schon die Beteiligung vieler weiterer Disziplinen und Ideen zurück und ignoriert im Grunde die bereits heute übliche Vielstimmigkeit eines Planungsprozesses? Offensichtlich dient sie aber auch heute noch als Nachweis von Kompetenzen, schafft verfahrensrechtliche Vorteile bei Vergabeverfahren und Bewerbungsverfahren und sichert mediale Aufmerksamkeit bzw. Verwertbarkeit. Im Zuge der Besprechung des deutschen Beitrages auf der Architekturbiennale 2021 schreibt die Zeitschrift Monopol wie folgt zur dort vorgestellten und vorausschauend retrospektiv erzählten Vision 2038: „Der kritische Digitalexperte Evgeny Morozov überbringt die gute Nachricht, dass das Grundschema des Wettbewerbs abgelöst wurde durch das der Kooperation – was alles andere viel einfacher machte.“
Die METHODE OP-OD integriert die Partizipation aller Beteiligten einschliesslich der Nutzer*innen als Teil des Planungskollektivs in den Prozess. Sie erfordert dabei eine präzise Vorbereitung und Vorsturktuierung des Planungsprozesses und von Callpaketen durch die Prozessbegelietung und eine aktive, externe Moderation während des eigentlichen Planungsprozesses.
Ein rein GRUPPENBASIERTER PLANUNGSPROZESS wie etwa bei basisdemokratischen Baugruppen, die ein Gebäude nach WEG errichten möchten, oder aber auch gemeinwohlorientierten Gruppen in Mietshäuser-Syndikaten, ist sozusagen von Anfang an auf und um Partizipation herum gebaut. Derlei Prozesse sind sehr intensiv und oftmals (aber sicher nicht immer) von sehr vielen Einzelinteressen getragen. Sie kommen daher auch immer wieder dem nahe, was polemisch als der „Albtraum der Partizipation“ bezeichnet wird, da der Prozess oftmals sehr viele Schleifen nehmen muss.
Auch werden die Ergebnisse GRUPPENBASIERTER PLANUNGSPROZESSE unter architektonischen Gesichtspunkten oft nicht sehr geschätzt – was aber zunächst einmal kein ausschließendes Kriterium sein sollte. Wichtiger ist, dass diesen Prozessen oft das notwendige Gegengewicht zu den Nutzer*inneninteressen fehlt. Das wiederum ist aber wichtig für die Berücksichtigung langfristiger und übergeordneter Aspekte des Bauprojektes bzw. des Gebäudes. Eine Art Überindividualisierung oder eine zu maßgeschneiderte Lösung unterläuft hier evtl. Themen der Nachhaltigkeit und Offenheit. Ausnahmen davon bilden in zweierlei Hinsicht oftmals die von Architekt*innen zum Zwecke eigener Projektakquise initiierten Baugruppen. Bei diesen wird bereits vorab zum Zwecke der Bewoner*innenakquise ein Entwurf von den Architekt*innen angefertigt. Ähnlich wie bei Bauträger*innenmodellen werden die Nutzer*innen dann zu (verkappten) Bauherr*innen gemacht. Dieses Modell hat aber oft nur bedingt mit dem zu tun, was echte Partizipaton und Teilhabe bedeuten können und sollen. Aber auch hier sollen die Ergebnisse nicht per se diskrediert oder deligitimiert werden. Als Ansatzpunkt für Kritik ist diese Einordnung aber zu verstehen.
OFFENE WETTBEWERBSVERFAHREN sind nur sehr bedingt anschlussfähig für kontinuierliche Partizipation. Hier können nur sehr punktuell etwa in der Vorbereitung der Auslobung und im Anschluss in der Weiterbearbeitung des Projektes wenige, wenn auch wichtige Partizipationsrunden eingebaut werden. Der offene Wettbewerb birgt auch die Gefahr, dass im Übergang zur weiteren Planung oftmals nochmals fundamentale Parameter – wie etwa die Wirtschaftlichkeit – nachgeschärft werden müssen und erste größere Konflikte zw. den Beteiligten zu Tage treten.
Von Bauherr*innenseite wird OFFENEN WETTBEWERBSVERFAHREN oftmals nicht das notwendige Vertrauen entgegengebracht, den komplexen technischen Anforderungen, der Steuerung von Risiken und dem hohen Abstimmungsbedarf aller Beteiligten gerecht zu werden. Auf Seite der Genossenschaften bremst neben verschiedenen anderen Argumenten / Vorbehalten ausgerechnet der Wunsch nach Bewohnerpartizipation den offenen Architekt*innen-Wettbewerb in Deutschland, aber auch der Schweiz und in Österreich oftmals aus. Die mit einem Realisierungswettbewerb einhergehenden Verpflichtungen bei der Umsetzung des Projektes sind für Genossenschaften oftmals schwer zu verbinden mit ihren Partizipations- und Beteiligungskonzepten.
Im angestreben Regelfall spart die Methode OP-OD bei einem hohen Grad an Partizipation und sehr großer Lösungsvielfalt im Prozess sogar Zeit sowohl gegenüber einem gruppenbasierten Planungsprozess als auch einem offenen Wettbewerb. Aber auch bei keiner Zeitersparnis ist das höhere Maß an Partizipation / Teilhabe als bei einem Wettbewerb und die größere Lösungsvielfalt und Kollektivität als bei gruppenbasierten Planungsprozessen ein Vorteil und soll zu einer solideren / valideren Planung führen.
Folgende Arbeitshypothesen liegen der Entwicklung der Methode OP-OD zugrunde:
- Der Einsatz neuer Planungswerkzeuge wie OP-OD führt zu nachhaltigeren Planungsergebnissen im Hochbau, hier mit einem Fokus auf Wohnungsbau.
- Durch die frühzeitige (also von Beginn an erfolgende) Einbindung der Nutzer*innen in die Planung werden das Bauwerk und seine Benutzung schon in der Planungsphase grundlegend von allen besser verstanden.
- Die Einbeziehung von Nutzer*innen und Expert*innen auf Augenhöhe in den Planungs- und Entwicklungsprozess von Gebäuden, sowie die produktive Nutzung ihrer unterschiedlichen Blickwinkel, Potentiale und Expertisen führt im Gebrauch zu effizienteren Häusern und vermeidet den Performance Gap in technischer, ökologischer, aber auch sozialer Hinsicht.
- Die Einführung des Planungswerkzeuges OP-OD zielt darauf ab, eine Neuorientierung der Baubranche für nachhaltige Planungs- und Bauprozesse anzustoßen, indem aktuelle Prozesse und Rollenverständnisse hinterfragt und weiterentwickelt werden – wie etwa Kooperation und Transparenz statt Wettbewerb, Anonymität und Verschwiegenheit. (Es öffnet so die Planung für viele verschiedene Stakeholder.)
- Derzeit fehlen neue zeitgemäße Werkzeuge, die eine wirkungsvolle und umfassende Partizipation digital, inklusiv und niederschwellig von Projektbeginn an im Bereich der Gebäudeplanung ermöglichen und die auch mittels Entlohnung aller Beteiligten (auch der Nutzer*innen) Teilhabe für alle leistbar und erschwinglich machen.
- Das Planungswerkzeug OP-OD verbindet offene Wettbewerbsverfahren mit planerischen Methoden der Partizipation in Echtzeit und open-source-Ansätzen. Durch diese Verbindung können architektonische und technische Fragestellungen im Wohnungsbau auf breiterer Basis als bisher diskursiv und teilweise sogar wissenschaftlich gelöst werden.
- Das Planungswerkzeug OP-OD, das auf den Prinzipien von Open Source Anwendungen basiert, ermöglicht eine kollektive Planungsleistung und Autor*innenschaft aller am Projekt Beteiligten und macht Planung unter Einbezug sehr vieler Beteiligter transparent und effizient.
- Die Einzelautor*innenschaft wird durch eine kooperative Entwurfsleistung im Rahmen des Planungswerkzeugs OP-OD obsolet und erhöht die Identifikation und das gegenseitige Verständnis der Beteiligten.
- Kollektive Planungsleistung und kollektive Autor*innenschaft an Gebäuden – einschließlich der möglichen Nutzer*innen als Mit-Autor*innen des Entwurfs – fördert die Lösungsvielfalt und einen effizienten Wissensaustausch aller Beteiligten, mit positiven Auswirkungen / Effekten auch für weitere Projekte und intensivierten Lernzyklen.
- Das Planungswerkzeug OP-OD ist noch nicht ohne weiteres auf Projekte öffentliche Träger bzw. auf öffentliches Vergabe- und Wettbewerbsrecht übertragbar. Welche Konflikte, aber auch welche Adaptionsmöglichkeiten es gibt, ist Teil der forschenden Einordnung von OP-OD.
- Durch die diskursive Arbeit auf Augenhöhe wird das Verständnis für die jeweils anderen Stakeholder*innen erhöht. Aspekte einer höheren Fairness bzw. auch Awareness gegenüber den Bedürfnissen bzw. (planerischen) Bedingungen der anderen ist fortlaufend präsent.