Die erste reale Anwendung der Methode OP-OD innerhalb des Projektes metso`metso wird auf den folgenden Seiten dargestellt und gibt Einblick in die Umsetzung der einzelnen, zum Teil auch komplexen Methodenbausteine. Bestimmte Aspekte wie die Call-Pakete, die Honorierung oder auch die Zusammensetzung des planenden Kollektivs werden hier jedoch ausgeklammert. Sie können unter REAL-FIKTIONEN nachvollzogen werden. Das Planungsergebnis und die einzelnen Synthesestände sind vollständig unter ERGEBNISSE einsehbar und können parallel zur Dokumentation des Planungsprozesses auf der PROJEKTPLATTFORM betrachtet werden.
Projektauftakt
Den Start des Planungsprozesses von metso’metso setzte eine Auftaktveranstaltung am 20. Mai 2023. Sie fand unweit des Projektgrundstücks in den Räumen der Monacensia in München statt. Die Teilnahme an der Veranstaltung mit Impulsvorträgen, Erläuterungen zum Planungsprozess und zur Methode OP-OD, einer Vorstellung des Grundstücks und einer Rückfragerunde war sowohl in Präsenz als auch digital möglich. Die Vorträge standen alle in direktem Bezug zur Planungsaufgabe oder waren als konkrete Anwendungshinweise etwa zur digitalen Projektplattform oder dem Bauteilkatalog angelegt. Das Baugrundstück in der Metzgerstraße 5a konnte an diesem sowie am Folgetag ebenfalls besichtigt werden.
Ideenphasen
Am 30. Mai 2022 begann mit der Veröffentlichung der Call- Fragestellungen (Call A1, B1 und C1) und aller relevanten Unterlagen für die Teilnehmer*innen auf der Projektplattform die erste Ideenphase. Mit Beginn jeder Call-Runde erfolgte zeitgleich das Ziehen der Ideentickets: Durch die parallele Auslobung von jeweils drei Calls war es notwendig, eine inhaltlich sinnvolle und quantitativ ausgeglichene Verteilung der Ideentickets – vornehmlich für die Planer*innen – zu organisieren. Bereits in den einzelnen Call-Fragestellungen selbst wurde beschrieben, wie die Ticketverteilung für den jeweiligen Call funktioniert und wie viele Tickets jeweils vorgesehen waren. Um den Arbeitsumfang und -aufwand abzubilden, wurde eine Unterscheidung der einzureichenden Beiträge in Ideen und in Hinweise eingeführt. Ideen bezeichneten umfangreichere Beiträge, während Hinweise nur auf eine Idee reagieren, diese ergänzen oder auch einen knappen textlichen oder skizzenhaften eigenen Impuls geben konnten.
Die erste Ideenphase erstreckte sich über einen Zeitraum von drei Wochen. Insgesamt wurden, alle drei Calls A1, B1, C1 zusammengerechnet, 60 Ideen hochgeladen. Im geplanten Ideenkontingent waren ursprünglich – ohne die Ideen der Nutzer*innen und der Bauherr*in – 77 Ideen vorgesehen, Von den Planer*innen wurden tatsächlich 46 Ideen beigesteuert, sodass der Ideenpool zu ca. 60 % gefüllt war. 14 Ideen wurden von den Nutzer*innen und der Bauherr*in eingereicht.
Die Nutzer*innen beteiligten sich kaum mit individuellen Ideen oder Hinweisen. Sie versuchten vielmehr gemeinsam, die Gruppe der zukünftigen, potenziellen Bewohner*innen und ihr solidarisches Wohnmodell vorzustellen. Zudem legten sie Wert darauf, Hinweise zur Barrierefreiheit einzubringen. Die Bauherr*in, die Genossenschaft Kooperative Großstadt eG, teilte in der ersten Ideenphase vorrangig ihre Erfahrungen und Erkenntnisse aus ihrem ersten Projekt San Riemo. Eine Planer*innen-Gruppe, welche ersichtlich Schwierigkeiten mit der Bearbeitung der Fragestellungen hatte, waren die Freiraumplaner*innen. Diese Gruppe formulierte auffallend wenig Ideen zur Hofgestaltung und zum Konzept des Erdgeschosses. Die Nachfrage durch die Prozessbegleitung ergab, dass die Freiraumplaner*innen in ihrer Praxis üblicherweise auf bestehende Planungen aufbauen und selten über ihren Kompetenzbereich proaktiv hinausgehen würden. Konkret bedeutete dies, dass sie ohne einen vorhandenen Erdgeschossgrundriss keine Hofgestaltung planten und auch keine Vorschläge für die Aufteilung des Erdgeschosses eigeninitiativ entwickelten. In der dritten Call-Phase wurde das Thema der Freiflächengestaltung nochmals aufgegriffen und eine neue Aufgabenstellung dazu formuliert, diesmal basierend auf der vorliegenden zweiten Synthese und den darin enthaltenen planerischen Varianten für das Erdgeschoss.
Im Übergang von der ersten zur zweiten Projektphase wurden sowohl der vorskizzierte Call-Aufbau hinterfragt als auch kleinere Anpassungen vorgenommen. In Call A2 lag der Fokus nun auf den Obergeschossen und damit auf den Modellen und Formen des Zusammenlebens. Dabei konnten die Ideengeber*innen frei auswählen, auf welche der drei Erschließungs-Varianten des ersten Synthesestandes sie ihre Überlegungen aufbauen wollten. Diese Freiheit der Auswahl einer Synthesevariante war charakteristisch für alle drei Calls. Die Themenstellungen von Call A2 konzentrierten sich auf baurechtliche Auslegungen sowie auf Art und Anzahl der Nasszellen und damit auf das Konzept der individualisierten Wohnbereiche. In Call B2 kam die Fassadenplanung hinzu. Auf Grundlage eines zirkulären Bauteilkataloges untersuchten die Ideengeber*innen, wie sich die Anforderungen an Schallschutz, Energiestandard und Denkmalschutz lösen lassen. In Call C2 wurde explizit die Frage nach der Kubatur und Dachform des Gebäudes gestellt. Der Kontext der sehr kleinen Baulücke verbunden mit der Suche nach möglichst viel Wohn- und Nutzfläche und die Würdigung der bau- und denkmalrechtlichen Belange definierten eine komplexe Ausgangslage.
Die zweite Ideenphase erstreckte sich wie die erste ebenfalls über einen Zeitraum von drei Wochen. Sie fand vom 11. bis 29. Juli 2022 statt. Insgesamt wurden, alle drei Calls A2, B2, C2 zusammengerechnet, 73 Ideen hochgeladen. Im geplanten Ideenkontingent waren ursprünglich – ohne die Ideen der Nutzer*innen und der Bauherr*in – 77 Ideen vorgesehen. Von den Planer*innen wurden tatsächlich 51 Ideen beigesteuert, sodass der Ideenpool zu ca. 66 % gefüllt war. 22 Ideen wurden von den Nutzer*innen und der Bauherr*in eingereicht. Die zweite Call-Runde war damit quantitativ gesehen die produktivste aller drei Runden.
In Vorbereitung des Planungsprozesses initiierten die Nutzer*innen bereits einen vorgeschalteten Abstimmungsprozess innerhalb ihrer Gruppe, um Bedürfnisse, Anliegen und eigene Lebensgewohnheiten abbilden zu können – sowohl innerhalb der Bewohner*innengruppe als auch gegenüber der gesamten Gruppe der Ideengeber*innen. Hierbei wurde auch das Thema Barrierefreiheit sehr direkt und persönlich reflektiert. Die künftigen Bewohner*innen verfassten hierzu eigene Statements und Hinweise. Diese Vor-Aktivitäten erklären auch die hohe Anzahl der hochgeladenen Nutzer*innen-Ideen in der zweiten Call-Runde.
Die Bauherr*in bemühte sich neben den Erfahrungen aus dem Bauprojekt San Riemo in dieser Call-Runde eigene Impulse einzubringen und formulierte beispielsweise zu Themen wie Bädern, Flexibilität, Selbstausbau oder der Balance von Gemeinschaft und Privatsphäre konkrete Hinweise. Zusätzlich wurden baurechtliche Überlegungen etwa zu Abstandsflächen und die Einordnung des Genehmigungsvorbescheides geteilt. Damit wurden die entsprechenden Rahmenbedingungen des Projektes nochmals konkretisiert.
In den beiden zurückliegenden Projektphasen 1 und 2 zeigte sich, dass die ursprünglich für die dritte Projektphase geplanten Themen und Fragestellungen nicht sinnvoll umsetzbar waren. Sie waren zu kleinteilig oder zu spezifisch formuliert. In den Call-Schienen A und B der dritten Projektphase wurden daher die Calls aus Phase 2 mit leicht erweitertem oder spezifiziertem Umfang wiederholt.
Diese Herangehensweise diente dazu, eine Weiterentwicklungs- und Korrekturschleife durch die Ideengeber*innen in Gang zu setzen. Sie sollten die Gelegenheit erhalten, die Synthesestände hinsichtlich der Wohngrundrisse und der Fassaden nochmals moderat oder aber auch grundlegend zu hinterfragen. So wurde eine, wie in Entwurfsprozessen üblich, kritische Iteration vor der letzten Entwicklungsphase eingeführt. Zusätzlich bot dies auch die Gelegenheit, den Call zur Freiraum- und Hofgestaltung zu wiederholen und in Call A-3 zu integrieren. Die Landschaftsarchitekt*innen und auch interessierte Architekt*innen, die in der ersten Projektphase das Thema Freiraum nur wenig bearbeitet hatten, erhielten so die Chance, sich nochmals vertieft einzubringen.
Die dritte Ideenphase erstreckte sich wie die beiden vorhergehenden ebenfalls über einen Zeitraum von drei Wochen. Sie fand vom 22. August bis zum 9. September 2022 statt. Insgesamt wurden, alle drei Calls A2, B2, C2 zusammengerechnet, 40 Ideen hochgeladen. Im geplanten Ideenkontingent waren ursprünglich – ohne die Ideen der Nutzer*innen und der Bauherr*in – 80 Ideen vorgesehen. Von den Planer*innen wurden tatsächlich nur 30 Ideen beigesteuert, sodass der Ideenpool nur zu ca. 38 % gefüllt war. 10 Ideen wurden von den Nutzer*innen und der Bauherr*in eingereicht.
In dieser Projektphase wurden innerhalb von Call A-3 ganz gezielt Fragen an die Nutzer*innen dahingehend gestellt, wie sie sich ihr persönliches Wohnen in den beiden Grundrissvarianten vorstellen können bzw. wie dieses aussehen würde. Die Bewohner*innen zeichneten oder beschrieben ihren Alltag, indem sie beispielsweise ein Zimmer in einer der Varianten auswählten, dieses möblierten oder einen exemplarischen Tagesablauf schilderten.
Es war festzustellen, dass die Optimierung bzw. die Korrektur etwa bezüglich Barrierefreiheit und Rollstuhlgerechtigkeit durch die Planer*innen nicht im erhofften Maße funktionierte. Das Thema wurde zwar explizit formuliert, da entsprechende Defizite in den bisherigen Ideen und Synthesen aufgefallen waren. Die Hoffnung, die kollektive Schwarmintelligenz innerhalb der Methode OP- OD für spezifische fachliche Themen oder Detailaspekte zu nutzen, die im laufenden Prozess aufkamen oder in den Entwicklungsphasen nicht ausreichend behandelt wurden, konnte daher nur teilweise bis wenig erfüllt werden. Anders sah es hingegen beim Thema Flexibilität der Grundrisse aus: hier gab es fundierte und vielschichtige Beiträge, die auch für die Weiterentwicklung des Projekts sehr relevant wurden. Als Beispiel kann hier die Idee „A3-31-AF – Fine Tuning“ genannt werden. Diese Idee nahm den Gedanken, eine Art Schaltdiele auszubilden, wie sie später in der Planung auch berücksichtigt wurde, vorweg. Allerdings wurde diese Idee zunächst in der anschließenden Synthese (…) zunächst nicht weiter beachtet und auch nicht weiterverfolgt.
Entwicklungsphasen
Die Entwicklungsphasen schlossen jeweils direkt an die Ideenphasen an. Die erste Entwicklungsphase dauerte zwei Wochen. Sie fand vom 20. Juni bis 1. Juli 2022 statt. Die Bereiche der digitalen Plattform, die für die Tage der Entwicklungsphasen vorgesehen waren, wurden zunächst nur für die jeweiligen Entwickler*innen freigeschaltet. Dieses Vorgehen zielte darauf ab, für das Entwicklungsteam einen geschützten Arbeitsraum zu schaffen. Es sollte dadurch verhindern, dass der Entwicklungsprozess in Echtzeit durch die Gesamtgruppe beobachtet oder gar kommentiert werden konnte. Die zweiwöchigen Entwicklungsphasen wurden jeweils als eine geschlossene Einheit betrachtet. Die Entwicklungsphase wurde grundsätzlich in Zeiträume mit Eigenarbeit, Präsenz- und Workshop-Tagen sowie digitalen Treffen unterteilt.
Die Entwicklungsphasen begannen stets mit Eigenarbeit am ersten Tag. Dabei war das Tagesziel aller Entwickler*innen, sich mit den auf der Plattform hochgeladenen Ideen entsprechend der eigenen fachlichen oder auch nicht fachlichen Qualifikation oder Perspektive intensiv auseinanderzusetzen. Am Abend des ersten Tages sollten alle Entwickler*innen ihre sogenannten Ideen-Rucksäcke gepackt haben und diese wiederum für alle anderen Entwickler*innen einsehbar auf der Plattform gespeichert haben.
Die Tage zwei und drei der Entwicklungsphase, an den Präsenz-Workshops in München-Riem stattfanden, erforderten die Anwesenheit aller Entwickler*innen, der Moderation sowie der Prozessbegleitung. Nach einer kurzen Einführungs- und Vorstellungsrunde wurden der Tagesplan, die Tageszielsetzung und die Arbeitsmethode besprochen. Beim ersten Anwendungsfall der Methode OP-OD waren die Tagesabläufe und -zielsetzungen von der Prozessbegleitung bereits vorab skizziert worden. Diese Strukturen sollten aber auch immer wieder während des Prozesses zur Disposition gestellt werden, um sie gegebenenfalls anzupassen oder Alternativen zu finden. Ziel der beiden Workshoptage waren die Erarbeitung gemeinsamer Ideenrucksäcke und auf diesen aufbauende, grundsätzliche Konzepte für das zu planende Wohngebäude.
An den darauffolgenden Tagen – Tage vier bis zehn – erfolgte die planerische Durcharbeitung der Konzepte. Es fanden zahlreiche digitale Treffen statt. In kurzen täglichen Online-Treffen nahm das gesamte Entwicklungsteam teil. Im Verlauf der Entwicklungsphase wurden diese digitalen Treffen immer zeitintensiver und inhaltlich dichter. Ergänzend dazu fanden digitale Arbeitssitzungen insbesondere der Planer*innen in kleineren und wechselnden Runden statt, um spezifische Punkte zu klären. Für den zehnten Tag der Entwicklungsphase war vorgesehen, die erarbeite Synthese auf der Projektplattform hochzuladen, was mit einer geringfügigen Verlängerung der Bearbeitungszeit über das Wochenende hinweg auch gelang. Hierfür wurde vorab ein entsprechendes Upload-Format auf der Plattform programmiert. Die Runde der Ideengeber*innen hatte zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei Einblick in die Entwicklungsphase und die darin entstandenen drei Synthesen; diese wurden erst mit Beginn der kommenden Ideenphase und vor dem entsprechenden Plenumstreffen für alle sichtbar geschaltet.
Die erste Entwicklungsphase endete mit drei unterschiedlichen Synthesen. Die Entwickler*innen gaben ihnen die Namen „Manchester“, „Macau“, „Mumbai“. Jede von ihnen beinhaltete jeweils eine spezifische räumliche Organisation des Erdgeschosses und eine Erschließungssystematik des Hauses. Bei allen drei Synthesen dokumentierten und vermerkten die Entwickler*innen stets die jeweiligen Ideen, die in den Synthesen Verwendung fanden. Hierbei fanden auch diejenigen Ideen Berücksichtigung, die nur in Teilaspekten Einzug in die Synthesen erhielten oder auch gewisse Ähnlichkeiten zu Teilaspekten einer der Synthesen aufwiesen. Dieser Schritt der Benennung der Ideen sollte den Vorgang des Synthetisierens für die Ideengeber*innen nachvollziehbar machen. Zudem sollte es Anknüpfungspunkte für inhaltliche Diskussionen eröffnen. (Die entsprechende Dokumentation erfolgte auf einem Übersichtsblatt bzw. einem Deckblatt zu jeder der drei Synthesen.)
Die zweite Entwicklungsphase dauerte ebenfalls zwei Wochen. Sie fand vom 1. bis 12. August 2022 statt. (Grundsätzlich waren die zehn Tage erneut in Eigenarbeit, Präsenz- und Workshop- Tage sowie digitale Treffen unterteilt.) Der Aufbau und die Formate entsprachen weitestgehend denen der ersten Entwicklungsphase. Die beiden Workshoptage in Präsenz fanden erneut in München-Riem statt.
Das Team der Entwickler*innen hat sich in dieser Phase sowohl bei den Nutzer*innen als auch den Architektur-Planer*innen und temporär auch leicht bei den Vertreter*innen der Bauherr*in verändert. Die Nutzer*innen hatten mit Beginn des Planungsprozesses im Austausch mit der Prozessbegleitung bereits festgelegt, welche Bewohner*innen oder Vertreter*innen in welcher Phase als Entwickler*innen agieren sollten. Diese Vorgehensweise führte zu einem stetigen Wechsel in der Zusammensetzung des gesamten Teams und brachte dadurch vielfältige Perspektiven und wertvolle Diskussionsbeiträge, aber auch die Herausforderung gewisser Informationsverluste mit sich.
In der zweiten Entwicklungsphase wurde intensiv über die persönlichen Wohnbedürfnisse und -vorstellungen gesprochen, aber auch das grundsätzliche Verständnis vom Wohnen in Gemeinschaft sowie das von GemeinWohlWohnen entwickelte solidarische Wohnmodell wurden erörtert. Insbesondere die Diskussionen über Position, Anzahl und Dimension der Küchen und auch der Bäder brachten die persönlichen Lebensvorstellungen der Teilnehmenden deutlich zum Ausdruck. Die große Gemeinschaftsküche im Erdgeschoss war als Ersatz für einzelne vollwertige Küchen in allen Obergeschossen gedacht. Auch wurde diskutiert, ob es Geschosse ganz ohne Küche geben könnte. Es wurden schließlich Positionen für Küchen identifiziert und eine Klassifikation in S-, M- oder L-Küchen vorgenommen.
Die Anforderung, diverse Teilaspekte zu synthetisieren, war in dieser Entwicklungsphase deutlich komplexer, vor allem vor dem Hintergrund fehlender Grundlagen und Rahmenbedingungen etwa Baurecht. Diese Dynamik führte unter den Planer*innen zu einer gewissen Unzufriedenheit, da bestimmte Themen nicht ausführlicher besprochen, die entsprechenden Ideen nicht ausreichend gesichtet und folglich die Syntheseergebnisse nicht in zufriedenstellender Weise dargestellt werden konnten. Insbesondere zeigte sich dies bei den Fassadenthemen und -Ideen. Die Fassaden mit zirkulären Bauteilen und -materialien zu planen, trug wesentlich zur erhöhten Komplexität bei. Als Abschluss der zweiten Entwicklungsphase wurden zwei Synthesen erarbeitet, wobei jede eine spezifische, räumliche Organisation der Wohngeschosse inkl. Fassade und Kubatur beinhaltete. Auch in dieser Phase wurden erneut die zugrundeliegenden Ideen dokumentiert. (Es wurde dabei wiederum vermerkt, welche Teilaspekte der Synthese auf welche Ideen zurückgeführt werden konnten.)
Die dritte Entwicklungsphase dauerte ebenfalls zwei Wochen. Sie fand vom 12. bis 23. September 2022 statt. Aufbau und Formate entsprachen weitestgehend den beiden vorangegangenen Entwicklungsphasen.
In dieser Phase ergaben sich erneut Änderungen im Team der Nutzer*innen. Bei den Planer*innen Architektur bestand das Team aus zwei wiederkehrenden Entwickler*innen und einem erstmalig als Entwickler tätigen Architekten. Zusätzlich stieß auch ein Landschaftsplaner wieder zum Entwicklungsteam dazu, da in der dritten Phase der Innenhof und die Freiflächengestaltung erneut auf der Agenda standen. Die Herausforderung der dritten Entwicklungsphase bestand zunächst im Entscheidungsfindungsprozess. Es galt zu festzulegen, welche der beiden Synthese-Varianten aus der zweiten Entwicklungsphase weiterverfolgt werden und welche verworfen werden sollte. Diese Entscheidung wurde auf den zweiten Workshoptag gelegt.
Im Schnelldurchlauf lassen sich die Entwicklungsphasen wie folgt zusammenfassen: In der ersten Entwicklungsphase lag der Schwerpunkt darauf, die innere und äußere Erschließungsstruktur des Gebäudes auf dem sehr kleinen Baugrundstück zu klären. Die zweite Entwicklungsphase konzentrierte sich auf die Frage nach der Form des gemeinschaftlichen Zusammenwohnens. In der dritten Entwicklungsphase war es nun die Hauptaufgabe der Entwickler*innengruppe, sich zunächst auf eine der verbliebenen zwei Varianten zu einigen. Die Entscheidung fiel auf die Variante „Verflechtung“. Die einzelnen Wohngeschosse haben hier eine deutliche programmatische Schärfung im Sinne einer spezifischen Belegung erfahren, was insbesondere auch die Verteilung der Küchen, der Bäder und der möglichen weiteren sanitären Anschlüsse umfasste. Es entstanden dabei sehr differenzierte Grundrisssituationen. Erneut lag der Bearbeitungsfokus also stark auf den Grundrissen, während die Themen Fassade, Nachhaltigkeit und Innenausbau in den Hintergrund rückten. In der letzten Synthese wurde erstmals auch eine Freiflächenplanung für den Innenhof entwickelt. Die zum Zeitpunkt der dritten Entwicklungsphase noch ausstehende erneute Rückmeldung der Genehmigungsbehörde, der Lokalbaukommission der Stadt München, zu den Synthesevarianten führte zu Unsicherheiten, die nicht abschließend geklärt werden konnten.
Plena 1-3
Das erste Plenum (von insgesamt drei) fand am 11. Juli 2022 als digitales Treffen des gesamten Planungskollektivs via Zoom statt. Die Struktur des Plenums war so aufgebaut, dass zunächst die Moderation einen Überblick über die Organisation und Struktur der Entwicklungswochen und deren inhaltliche Schwerpunkte gab. Anschließend stellten die Planer*innen Architektur die drei erarbeiteten Synthesevarianten vor. Dabei gingen sie auch auf den jeweiligen Ideen- Rucksack ein und legten damit die Herkunft der architektonischen Ideen und deren Rückbindung an die Ideen aus der ersten Ideenphase offen, zeigten aber auch die durch die Synthetisierung erfolgten Weiterentwicklungen oder auch Ergänzungen auf.
Die erste Plenumsdiskussion verlief etwas zögerlich und zurückhaltend. Insgesamt schienen die Ergebnisse der ersten Entwicklungsphase für die Teilnehmer*innen nachvollziehbar zu sein. Die Reduktion des Aushandlungsprozesses und der Diskussion auf die Präsentation der reinen Syntheseergebnisse, die zudem in drei grundlegend verschiedenen Varianten vorlagen, verkürzte die Debatte deutlich und bot wenig Anknüpfungspunkte für die Diskussion umfassender oder auch grundsätzlicher Themen des Projektes. Es wurde angemerkt, dass die Varianten sehr pragmatisch wirken und der Prozess damit möglicherweise zu früh auf eine direkte Realisierbarkeit abzielte, wodurch die architektonische Poesie in den Hintergrund treten könnte.
Das zweite Plenum fand am 22. August 2022 erneut als digitales Treffen statt. Es ähnelte in Aufbau und Ablauf dem ersten: Es begann mit einem Überblick durch die Moderation, darauf folgten eine inhaltliche Vorstellung der Synthese-Varianten und eine anschließende Diskussion.
Die Diskussionen des zweiten Plenums verliefen dynamischer und lebhafter als die des ersten. Nach den Vorstellungen der beiden Synthese-Varianten wurden diese vergleichend, aber auch teilweise einzeln diskutiert. Dies bezog auch übergreifende Themen mit ein. Besonders ausführlich wurden die Fassade und damit auch die Verwendung von zirkulären Bauteilen erörtert. Ebenfalls wurde der geforderte Energiestandard (KFW 40-Standard) in Frage gestellt, da beide Ambitionen schwer vereinbar erscheinen. Die Debatte verschränkte sich dabei deutlich mit den Call-Fragestellungen der dritten Projektphase, da diese viele Themen erneut aufgreifen und hinterfragen sollten. Während der Diskussion entstand der Impuls, die Grundrisse in Bezug auf ihre Flexibilität erneut zu hinterfragen. Es wurde die Möglichkeit diskutiert, wie sich beispielsweise ein viertes Zimmer auf manchen Geschossen realisieren ließe. Dies würde zu spezifischeren Grundrisslösungen führen, die unterschiedliche Situationen ermöglichen könnten, jedoch räumlich trotzdem fixiert wären. Bei einer generell universelleren Definition der Zimmer könnte sich die Flexibilität und die Anpassung an wechselnde Bewohner*innen-Konstellationen eventuell einfacher abbilden und organisieren lassen. Es ging demnach um eine Klärung der Frage, wie Flexibilität im Haus aussehen soll oder kann.
Das dritte und letzte Plenum fand am 10. Oktober 2022. Auch dieses Plenum ähnelte in Aufbau und Ablauf den beiden vorangegangen. Die finale Synthese war zum Zeitpunkt des Plenums bereits auf der Plattform verfügbar und allen Ideengeber*innen bekannt.
Die Diskussion der finalen Synthese diente auch dazu, Themen und Punkte aber auch Probleme, die das Gesamtkollektiv der Ideengeber*innen für die weitere Entwicklung der Planung sieht und dem künftigen Planer*innenteam mitgeben möchte, zu benennen und zu diskutieren. Bei manchen Aspekten, z.B. der Position des Aufzugs, wurde die Realisierbarkeit in Frage gestellt. Auch wurde hinterfragt, ob der Gedanke des experimentellen Planens möglicherweise zu sehr in den Hintergrund geraten sei. Konkrete Fragen und Hinweise zur Barrierefreiheit wurden genannt. Die Gestaltung der Fassade, insbesondere die Idee, Biberschwanzziegel mit Photovoltaikelementen zu kombinieren, wurde kritisch betrachtet und im Kontext des engen Finanzierungsrahmens als unrealistisch eingestuft. Insgesamt verlief die Diskussion zunächst sehr entlang von einzelnen Details und entsprechend kleinteilig. Eine umfassend offene und kritische Betrachtung blieb eher aus. Die Gestaltung der Fassade, einschließlich der Verwendung von Elementen wie Biberschwanzziegel, Horten- und Eiermannkacheln sowie Bemalungen und Photovoltaik, wurde aber insgesamt als überarbeitungswürdig benannt. Es kam der Impuls auf, den Einsatz zirkulärer Teile und Elemente zu bündeln und sich nicht auf zu viele Einzelinterventionen zu fokussieren. Die Entwickler*innen der dritten Entwicklungsphase betonten demgegenüber aber immer wieder die optionalen Aspekte der Planung. Viele dieser Aspekte sollten eher als Sammlung von Ideen denn als endgültige Entscheidungen gesehen werden. Sie wünschten sich klarere Hinweise von der Gesamtgruppe hinsichtlich der Konstruktion, der Zirkularität oder der Fassadengestaltung: Welche Aspekte sollen mit Nachdruck verfolgt werden und welche könnten entfallen? Was soll priorisiert werden? Hier wurde insbesondere die Sichtbarkeit des Zirkulären in der Fassade genannt, wohingegen die Begrünungselemente in der Fassade auch entfallen könnten. Ziel sollte es sein, die diesbezügliche Ambition des Projektes zu stärken und seine innerstädtische, zentrale Lage für die Sichtbarmachung wichtiger, aktueller Themen des Bauens zu nutzen.
Vonseiten der Nutzer*innen wurde das Planungsergebnis hingegen begeistert und sehr positiv aufgenommen. Die Diskussionen des Plenums lassen sich damit zusammenfassend als zwar durchaus hinterfragend, aber insgesamt doch zurückhaltend kritisch bis sehr positiv von Nutzer*innenseite beschreiben.
Überarbeitungsworkshop
Das letzte Plenum formulierte nur wenige klare Aufträge oder Impulse zur Überarbeitung. Die Wahl des Architektur-Teams brachte keine deutliche Mehrheit für eines der beiden kandidierenden Teams hervor. Aufgrund eines Auszählungsfehlers wurde sogar zunächst von der Prozessbegleitung ein Patt kommuniziert. Dies führte zu einer kurzzeitigen Unsicherheit darüber, wie mit dem vorliegenden Planungsstand und der Auswahl des Teams weiter verfahren werden sollte. Die Genossenschaft Kooperative Großstadt eG in ihrer hybriden Rolle als Bauherr*in, als Erfinder*in der Methode OP-O, als Prozessbegleiter*in und auch als Forscher*in machte hier auch einige Fehler bzw. geriet in Interessenskonflikte.
Das führte auch zu gewissen Unstimmigkeiten oder auch Misstrauen in den Gesprächen mit den beiden potentiellen Architektur-Teams und zu keiner einfachen oder einvernehmlichen Lösung. Auch etwa die Bildung eines gemeinsamen Teams aus den beiden Kandidat*innen-Teams war nicht erfolgreich. Die Gremien der Genossenschaft beschlossen daher einen Überarbeitungsworkshop mit den beiden Kandidat*innen-Teams durchzuführen. Dort sollten die noch offen gebliebenen Fragen thematisiert werden und im besten Fall eine entsprechende Überarbeitung des Planstandes der finalen Synthese erfolgen.
An diesem Workshop nahmen beide Architektur-Teams, die Bauherr*in und die Prozessbegleitung teil. Das Format wurde von Seiten der Prozessbegleitung vorstrukturiert: Die erste Woche diente zur Erarbeitung von Grundlagen und zur jeweiligen individuellen Einarbeitung aller Beteiligten. Am Ende der ersten und zu Beginn der zweiten Woche fanden digitale Termine und ein inhaltlicher Austausch statt. An den letzten beiden Tagen fand der Workshop in Präsenz satt und es wurde zusammen an möglichen Lösungen gearbeitet.
Die Präsenztage des Workshops fanden erneut in München-Riem statt. Teilnehmende und involvierte Personen waren Felix Steinhoff und Alex Fthenakis (Arch-Team A), Johann Simons, Leonard Wertgen und Björn Martenson (Arch-Team B), Christian Hadaller als Bauherr, sowie Reem Almannai, Marie Bauer und Florian Fischer von der Prozessbegleitung. In diesem Prozessschritt war keine externe Moderation beteiligt, wodurch die Gruppe vermehrt auf Selbstorganisation angewiesen war.
Im Workshop standen zunächst verschiedene Schlüsselthemen im Vordergrund: Position und Funktionsweise des Aufzuges, die Organisation und Ausformulierung der Bäder, die Organisation des Dachgeschosses und der Dachform, die Kubatur des Baukörpers sowie die Zimmergrößen. Auch die Thematik der zirkulären Fassade und Fenster wurde nochmals untersucht und diskutiert, jedoch bestand hierbei weiterhin eine größere Unsicherheit, (besonders vor dem Hintergrund einer neuen Fassadenoption, die eine komplette Fassade aus Darmstadt beinhaltete).
Zum Zeitpunkt des Workshops lag bereits eine Rückmeldung der Stadt München zu zwei unterschiedlichen Planungsvarianten der Kubatur vor. In diesem Gespräch wurden spezifische Aspekte des Planungsstands der dritten Synthese erörtert, darunter auch die (förder-)rechtliche Einordnung des Vorhabens, die Konzeption einer besonderen Wohnform, die Grundrissorganisation, die Flächenberechnung und die weitere Zeitplanung.
Im Workshop wurde in zwei Varianten gearbeitet, wobei die Überlegungen erneut hauptsächlich auf dem Grundriss und der Kubatur lagen. Im Fokus stand es, eine größere Flexibilität und Unabhängigkeit paralleler Wohnsituationen in den Wohngeschossen zu schaffen. Wesentliches Resultat hierfür war die Wiedereinführung bzw. Neukonzeption einer sogenannten Schaltdiele. Dieser Vorschlag war bereits in der zugrundeliegenden Idee der Verflechtung enthalten, fiel jedoch in nachfolgenden Bearbeitungsschritten weg. Die Schaltdiele, in Kombination mit dem zur Straßenseite hin verschobenen, aber gegenüber der dritten Synthese unveränderten „Penthouselift“, ermöglichte im Grundriss neue Optionen zur Zusammenlegung von Räumen und sogar eine geschossübergreifende Nutzung der Bäder. Diese können über die abtrennbare Schaltdiele und den dort ankommenden Lift erreicht werden. Die Schaltdiele, welche drei der vier Zimmer verbindet, erlaubt eine flexible Nutzung und Zusammenlegung der Räume. Potenziell können damit beide Zimmer zur Hofseite gemeinschaftlich genutzt werden. Zudem kann die Schaltdiele zu einem besseren Schallschutz und zur akustischen Abtrennung der verschiedenen Bereiche beitragen, ähnlich einem Kastenfenster. Die Organisation von Gemeinschaft und Privatheit kann mit diesem Modell anders, geschossübergreifend und flexibler gedacht werden. Die Ideen von Sub-Gemeinschaften in einer großen gemeinschaftlichen Wohn-Idee und die Frage des Rückzuges können so neu und differenziert beantwortet werden.
Der Workshop war ein wichtiger Schritt bei der weiteren Arbeit am Planungsprojekt und ermöglichte in der Reflexion verschiedene Lösungsansätze. Allerdings wurden einige der oben beschriebenen Themen erst im Nachgang zeichnerisch festgehalten und überprüft. Es muss aber auch angemerkt werden, dass die Prozessbegleitung während des Workshops ihre rein beobachtende Rolle aufgegeben und begonnen hat, sich aktiv an der inhaltlichen Diskussion und der Erarbeitung von Lösungsoptionen zu beteiligen. Insbesondere nahm sie die Rolle ein, aus ihrer Sicht wichtige Aspekte aus den Ideenphasen und bisherigen Synthesen hinsichtlich der Flexibilität und Schaltbarkeit der Grundrisse in die Planung zurückzuholen bzw. einzuarbeiten. Insbesondere das Thema bzw. die Typologie der Schaltdielen wurde hier herausgearbeitet. Dieses Vorgehen war, ebenso wie der Workshop selbst, ursprünglich nicht in der Konzeption der Methode vorgesehen.
Fallbeispiele 1-3
Anhand von einzelnen Themen (Brandschutz / Offenes Erdgeschoss / Konstruktion in Holzbauweise) lassen sich beispielhaft die Wege der Planung und auch einzelner Ideen nachzeichnen und wiedergeben.
Fallbeispiel 1: Brandschutz
Als Themen standen insbesondere in der ersten Projektphase, aber auch im weiteren Projektverlauf, das Treppenhaus und der Brandschutz im Vordergrund. Die komplexe Situation des Grundstücks erforderte eine effiziente, raumsparende und sinnvolle Organisation des Erschließungskerns in Kombination mit einem funktionierenden Brandschutz. Zu berücksichtigen waren dabei Aspekte wie Fluchtwege, Grenzabstände, Baurecht, Abstandsflächen und Dienstbarkeiten hinsichtlich des Durchgangs für die Nachbar*innen.
Eine Brandschützer*in schlug zu Beginn des Prozesses zwei alternative Treppenlösungen als grundsätzliche Entwicklungsrichtung vor: Entweder zwei bauliche Rettungswege oder aber einen Treppenraum, der sich an das Konzept eines Sicherheitstreppenraums anlehnt. In diesem Fall sollte eine Außenerschließung der Wohnungen über einen Erschließungsbalkon in jedem Geschoss das Treppenhaus vor Verrauchung schützen. In der Upload-Chronologie lässt sich nachvollziehen, dass dieser Ansatz bereits zu Beginn der Ideenphase in einer Skizze der Brandschützer*in dargelegt wurde, allerdings dann nur in einer einzigen Idee der Planer*innen Architektur für das Treppenhaus auch auftauchte. Andere Erschließungsideen zeigten oftmals komplexe, aber weniger effiziente Lösungsansätze oder ignorierten teilweise das Problem.
In der Entwicklungsphase eröffnete hingegen die Präsenz der Brandschützer*in eine intensive und fachlich tiefgehende Bearbeitung dieser Aspekte, welche sogar teilweise die Diskussion dominierten. Schließlich wurden drei grundlegend verschiedene Synthesevarianten hinsichtlich der Erschließung entwickelt.
Später im Prozess kam durch eine Anmerkung des Ideengebers und Brandschutzplaners Peter Paul der Hinweis, dass die Feuerwehr im Notfall die Oberleitungen der Tram auch kappen dürfte und sollte, was einen zweiten Rettungsweg durch Anleitern von der Metzgerstraße aus ermöglichen würde. Dies hätte einen bisher nicht beachteten neuen Ansatz für Lage und Gestaltung des Treppenhauses bieten können. Jedoch führten der parallele Austausch via E-Mail (und nicht über die Plattform via das Einreichen von Ideen oder Hinweisen) sowie die zeitlichen Verzögerungen in der Kommunikation des Themas dazu, dass die Idee nur am Rande diskutiert wurde und den Prozess nicht weiter beeinflusste.
Vielmehr bewährte sich die in der ersten Projektphase entstandene Erschließungs-Variante aus der so benannten Synthese MUMBAI im Laufe der Planung immer mehr und blieb weitestgehend unverändert. Entscheidendere Veränderungen und gewisse Aufweichungen diesbezüglich ergaben sich erst in der nachfolgenden Workshop-Phase und auch nochmals im späteren Planungsprozess.
Fallbeispiel 2: Offenes Erdgeschoss
Einen umgekehrt exemplarischen Fall im Planungsprozess stellen zwei Ideen dar, die zunächst in zwei von drei kollektiven Ideen-Rucksäcken Berücksichtigung fanden, aber schließlich in den Synthesen der ersten Entwicklungsphase nicht mehr weiterverfolgt wurden. Der Raum im Erdgeschoss wurde hier als ein großer, zusammenhängender und möglichst durchlässiger Raum gedacht. Bei der Idee „Open Space“ handelte es sich um einen freistehenden, gläsernen Raumkörper, um den man herumgehen und so in den Hof gelangen konnte.
Die Idee „Community Wohn-Garage“ sah vor, einen großen Raum zu schaffen, der zugleich als Eingangshalle, Community Space und halböffentlicher Durchgang zum Hof dienen sollte. Darin bestand die Hoffnung, trotz der geringen Grundfläche des Gebäudes durch Überlagerung und Bündelung aller Funktionen (außer des Treppenhauses) einen Raum mit maximaler Nutzfläche und Flexibilität zu schaffen. Die Fassaden dieses Raumes sollten aus großen, öffenbaren Sektionaltoren zum Hof und zur Straße bestehen, sodass der Raum je nach Jahreszeit auch zum Außenraum hätte werden können.
Dieser Ansatz, als radikale Idee für das Gebäude und seine Ambitionen eines gemeinschaftlichen Lebens und einer Öffnung zur Stadt gedacht, schien zunächst die adäquate Verräumlichung des Programms zu sein. Jedoch wurde aufgrund der Diskussionen in der Entwicklungsphase, vornehmlich mit der Brandschützer*in, schnell klar, dass dieses Konzept an der Dienstbarkeit des Durchgangs zum Hof scheitern musste. Diese Verbindung sollte dauerhaft offen sein und war sowohl für die Flucht- und Rettungswege der Nachbargrundstücke als auch als prinzipieller Zugang der Nachbar*innen mit Fahrrädern etc. in den Hof relevant. Baurechtlich war es daher nicht vorstellbar, diesen Weg wirklich durch den großen Gemeinschaftsraum zu führen, selbst wenn die programmatische Überlagerung von „stadtöffentlich“ und „hausöffentlich“ noch denkbar gewesen wäre. Hier zeigte sich, dass die fachliche Multiperspektive und -expertise schnell zum Scheitern einer interessanten oder radikalen Idee führen kann. Es bleibt spekulativ, aber es ist denkbar, dass die Verfasser*in dieses Konzeptes in einem anderen Verfahren als OP-OD, etwa in einem klassischen Wettbewerbsverfahren bzw. -beitrag diese Idee deutlich länger weiterverfolgt hätte.
Fallbeispiel 3: Konstruktion in Holzbauweise
In der ersten Projektphase wurden im Rahmen der Call-Reihe C die Themen Materialität und mögliche Konstruktionsweisen des Gebäudes bearbeitet. Planung und Ausführung in Holzbauweise traten sowohl in den eingereichten Ideen als auch in der Entwicklungsphase als dominierende Ambition hervor. Diese wurde grundsätzlich positiv aufgenommen und intensiv diskutiert. Jedoch stellte sich die konkrete Umsetzung einer Holzkonstruktion – insbesondere hinsichtlich der Systematisierung und des Rasters auf dem sehr kleinen Grundstück, hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit und der Deckenaufbauhöhen – als herausfordernd dar.
Der Beitrag der Statiker*in gegen Ende der ersten Entwicklungsphase präsentierte hingegen einen bereits weit entwickelten Vorschlag für einen Holzskelettbau. Trotzdem wurden in den drei Synthesevarianten aufgrund der oben genannten Bedenken drei verschiedene Tragwerkvarianten gewählt. Für die Synthese MANCHESTER wurde ein Holzskelett vorgeschlagen, während für die Synthesen MUMBAI und MACAU jeweils zwei unterschiedliche Stahlbetonkonstruktionen mit der Option einer Holzhybridkonstruktion für die Fassaden vorgesehen waren.
In der zweiten Projektphase wurde weiterhin versucht, eine Konstruktion mit möglichst hohem Holzanteil zu entwickeln. In der Ideenphase brachte die Statiker*in sogar das Konzept einer Brandwand in Holzbauweise ins Spiel, das von der Brandschutzplaner*in in der anschließenden Entwicklungsphase als potenziell machbar eingestuft wurde. Hier zeigen Methode und Prozess das Innovationspotenzial einer intensiven Kooperation aller fachlich Beteiligten zu einem sehr frühen Zeitpunkt des Projekts. Gleichzeitig muss erwähnt werden, dass in der Synthese der dritten Entwicklungsphase eine weitgehende Holzkonstruktion für das Tragwerk aus wirtschaftlichen Gründen zunächst in den Hintergrund trat und nur eine Holzhybridbauweise als realistisch erschien. Erst in der weiteren Bearbeitung des Projektes nach dem OP-OD-Planungsprozess konnte das Holztragwerk aufgrund einer Erhöhung des Förderrahmens wieder zurückgeholt und weiterentwickelt werden, sodass dieses nun auch im Genehmigungsplanstand enthalten ist.